Bi-nationale Beziehungen werden immer häufiger und sind eine spannende, bereichernde Herausforderung. Nehmen wir an, zwei Menschen lernen sich auf Reisen kennen – das ist meist ein romantischer Ausnahmezustand. Oder sie begegnen sich im Heimatland von einem der beiden. Wenn man zu Besuch ist, dann ist das keine normale Alltagssituation. Wenn sich beide dann füreinander entscheiden und einer zum anderen zieht, haben diese beiden Menschen dann von 0 auf 100 Alltag.
Da kommen dann plötzlich eine Menge unromantischer, pragmatischer Aufgaben und Probleme auf beide zu: Aufenthaltsgenehmigung, Sprache, Anerkennung von Ausbildungen, Studium oder Berufstätigkeit, Arbeit, Geld, Familie, Freunde. Ausländische Ausbildungen werden in Deutschland zum Teil nicht anerkannt. Dann kann eine vorher in Lateinamerika erfolgreiche Ärztin unter Umständen hier erst einmal nicht arbeiten. Daraus entstehen für beide eine große Verantwortung, Abhängigkeit, Frust, Erwartungshaltung und Last.
Für den, der alles aufgegeben hat, der im neuen Heimatland plötzlich alles sein muss: Freund, Familie, Bürokrat, Übersetzer, Geldverdiener. Da muss viel von beiden bewältigt werden – und damit hat man am Anfang nicht gerechnet.
Dann das Element Sprache: Sprechen sie die Muttersprache von einem oder in einer Drittsprache? Je nach Fähigkeit gibt es Schwierigkeiten, etwas auszudrücken. Sprache unterliegt ja so vielfältiger gesellschaftlicher und kultureller Bedeutungsgebung: Wie lebt ihr Beziehung? Wann heiratet man? Welche Rolle spielt Religion? Wo beginnt Treue bzw. Untreue? Was dürfen Frauen hier und in Deinem Land und was nicht? Welches Männerbild kennst Du? Wie gehen wir mit irritierenden Unterschieden um?
Manchmal heiratet man auch schnell, vielleicht wegen einer Aufenthaltsgenehmigung, ohne zu überprüfen, ob man auch wirklich zusammenpasst.
Für die Balance in der Beziehung kann es wichtig sein, die Muttersprache des anderen zu lernen, sich für die Kultur und Religion und Werte des anderen zu interessieren, immer wieder in das Land des anderen zu fahren, damit der Teil der Fremde Teil des Lebens von beiden ist.
Es sind Kleinigkeiten, die unsere biografische kulturelle oder nationale Identität ausmachen und Verbindung und damit Zugehörigkeit schaffen. Sage ich z.B. „Mauerfall“ denken wir an Berlin 1989, oder „Mit 66 Jahren“ sehen wir beide Udo Jürgens am weißen Flügel. In interkulturellen Beziehungen gibt es diese gemeinsame Geschichte nicht. Da braucht es viel Gespräch, mit-teilen, um eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Identität aufzubauen und immer wieder zu erarbeiten. Das ist schön, faszinierend, reizvoll fremd, aber auch anstrengend.
Einfacher ist es für zwei Menschen, wenn beide im Land etabliert und berufstätig sind und sich z.B. in der Arbeit kennenlernen, dann haben beide schon eine finanzielle und soziale Basis.
Paare, die auch beruflich zusammenarbeiten vs. Paare, die völlig unterschiedliche Berufe ausüben (bis hin zu gegensätzlicher Schichtarbeit) - Welche Auswirkungen hat dies Ihrer Meinung nach auf die Beziehung? Gibt es eine „gute Mischung“?
Im Beruf verbringen wir normalerweise die meiste Zeit unseres Tages. Mag ich, was ich mache? Steh ich dahinter oder mache ich es des Geldes wegen? Trage ich Verantwortung? Für mich als Freiberufler oder für ein Team? Komm ich gut klar mit Kollegen oder ist mir der Montagmorgen ein Graus? Natürlich hat es Einfluss auf den Feierabend, wie jemand den Tag verbracht hat. Reden wir abends über Job oder auch über uns? Bin ich zufrieden, neidisch, überarbeitet, gestresst?
Gute Mischung ist z.B. eine halbe Stunde über die Arbeit reden und dann ist Paarzeit. Bestmöglich nicht auch im Schlafzimmer noch Emails beantworten.
Inwiefern wirken sich Einkommensunterschiede auf eine Beziehung aus?
Geld ist ein häufiges Streitthema in Partnerschaften. In Deutschland verdienen nach wie vor viele Frauen in ihren Berufen weniger als Männer, was nach wie vor bei Familiengründung dazu führt, dass der Mann der Hauptverdiener ist. Das führt dann in vorher gleichberechtigten Beziehungen zu Ungleichgewicht. Diese Schwierigkeiten lassen sich nicht leicht lösen. Die Paare müssen reden und immer wieder schauen, dass sie sich gegenseitig für das, was sie tun, wertschätzen. Da gibt es in Deutschland noch einiges zu tun an tatsächlicher Gleichstellung, ausgewogener Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide.
Gibt es Ihrer Meinung nach frühe Anzeichen, wenn zwei Menschen nicht auf lange Sicht zusammenpassen? Welche sind das?
Hand aufs Herz: Man weiß am ersten bzw. zweiten Abend, ob das passt oder nicht. Ich meine damit ganz grundsätzlich: fühle ich mich angezogen und wohl in der Gegenwart des anderen?
Was erzählt dieser Mensch von sich, von seinen Wünschen, Plänen, Vorstellungen? Sagt mir das zu oder denke ich: „Geht eigentlich gar nicht, aber das gewöhne ich ihm schon noch ab.“
Ganz praktisch: Sportskanone oder Couchpotatoe, Rauchen oder Gesundheitsapostel, Veganer vs. Fleischesser, Kinderliebhaber oder Karrierist, Stadt- oder Landmensch. Wenn das, was der andere hier sagt, meiner Planung grundlegend widerspricht, sollte man am besten aufstehen und gehen.
Gehen wir einfachheitshalber davon aus, dass der andere so ist, wie er ist. Dass er meint, was er sagt und gerne dafür gemocht wird, wie er ist und nicht verändert werden will, um in eine Beziehung zu passen. Umerziehen wollen, macht beide unglücklich.
Ich kaufe ja auch keinen Smart und beschwere mich dann, dass es keine Porsche ist.
„Gegensätze ziehen sich an“ – Inwiefern stimmt das?
Man sagt auch „Gleich und Gleich gesellt sich gern“. Beides stimmt. Da sind wir wieder bei der Darstellung der Kreise und der Schnittmenge. Gleich und gleich bedeutet: viel Übereinstimmung, Nähe und Geborgenheit, Sicherheit, Zugehörigkeit. Gegensätzlich ist, was fremd ist, das erzeugt Distanz, Freiheit und gegebenenfalls auch Unsicherheit. Gesellig vertraut und gegensätzlich fremd geht nicht gleichzeitig mit einem Menschen in Beziehung – nur nacheinander.
Im Gespräch: Gabriele Aigner, Einzelpaar- und Sexualtherapeutin in München
Gabriele Aigner ist Einzel-, Paar- und Sexualtherapeutin in München und blickt auf 20 Jahre Beratertätigkeit zurück. Sie berät Einzelpersonen und Paare, hält Vorträge und gibt Kurse. Ihre Berufung entstand aus ihrem eigenen Interesse an Psychologie, zwischenmenschlichen Beziehungen und Tantra. Sie ist systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin und klinische Sexologin. Gabriele Aigner spricht neben Deutsch auch Englisch, Italienisch und Spanisch und arbeitet deshalb auch viel mit binationalen Paaren.
Mit welchem Problem kommen Paare am häufigsten zu Ihnen?
Meine Klienten sind zwischen 16 und 84 Jahre alt und es kommen Einzelpersonen wie auch Paare in verschiedenen Beziehungskonstellationen zu mir. Themen der Beratung sind alle Lebens- und Beziehungsphasen: Zu Beginn einer Beziehung, nach dem Zusammenziehen, nach dem ersten Kind, nach einer Affäre oder nach schwerer Krankheit oder wenn die Kinder ausziehen und das Paar nach Jahrzehnten wieder auf sich gestellt ist.
In dem Sinne gibt es kein Hauptthema. Das liebe ich an meinem Beruf, dass das Leben unglaublich bunt, abwechslungsreich und herausfordernd sein kann.
Es gibt Paare, die einfach alles zusammen machen und Paare, in denen jeder eigenen Hobbies und Interessen nachgeht, bis hin zu Urlaubsreisen ohne den Partner. Welche Auswirkungen hat dies Ihrer Meinung nach auf die Beziehung? Gibt es ein gutes Gleichgewicht?
Hat die Art und Weise des Kennenlernens Auswirkungen auf die Beständigkeit der Beziehung?
Sie arbeiten mit Paaren, die verschiedene Religionen/kulturelle Hintergründe haben. Welche Auswirkungen hat dies auf eine Beziehung?
Paare, die auch beruflich zusammenarbeiten vs. Paare, die völlig unterschiedliche Berufe ausüben (bis hin zu gegensätzlicher Schichtarbeit) - Welche Auswirkungen hat dies Ihrer Meinung nach auf die Beziehung? Gibt es eine „gute Mischung“?
Inwiefern wirken sich Einkommensunterschiede auf eine Beziehung aus?
Gibt es Ihrer Meinung nach frühe Anzeichen, wenn zwei Menschen nicht auf lange Sicht zusammenpassen? Welche sind das?
„Gegensätze ziehen sich an“ – Inwiefern stimmt das?
Was ist Ihrer Meinung nach das Geheimnis einer langanhaltenden Beziehung?
Es interessiert mich, was den anderen bewegt und wir können darüber reden. Das ist eine wertschätzende, wohlwollende Grundhaltung und freundlicher Umgang.